|
Bevor wir den Theologen Heine näher betrachten, müssen wir uns über einige Begriffe /9/ verständigen, damit nicht falsche Erwartungen geweckt werden oder das Tohuwabohu auf dem Heine-Feld schließlich größer ist als zuvor. Wenn beispielsweise in einem ansonsten gescheiten Aufsatz über Heines Frömmigkeit als List der Vernunft von >>seiner theologischen Bekehrung<< gesprochen wird /10/, belegt das die in diesem Bereich der Heine-Biographie und Werkdebatte überlieferten Ungenauigkeiten. Denn eine Bekehrung ist die Sache der religiösen Verhaltensweise, Begabung, Kompetenz, Ergriffenheit oder Überzeugung. Deshalb ist Heines Spätzeit sehr viel richtiger und vorsichtiger durch die Formel von der sogenannten Bekehrung oder diese eingestandene Veränderung als theologische Revision charakterisiert worden./11/ Religion ist der Inbegriff für alle Phänomene des Glaubens an das Numinose, an ein Geheimnis von gleichzeitiger Ferne und Nähe; Religion ist die jeweilige historische Form menschlicher Gottesvorstellung oder -verehrung und die mit dem Außerweltlichen gekoppelte sinnstiftende Deutung der Existenz auf Erden oder auch ihre Interpretation als über die zeitlichen und materiellen Schranken hinausgreifende ewige, unsterbliche Beschaffenheit, wobei dem Glauben die Frömmigkeit korrespondiert. Theologie dagegen ist die wissenschaftliche, der jeweiligen Religion zugeordnete und innewohnende Auseinandersetzung mit ihren Quellen, ihrer Geschichte und ihrer Erscheinungsform, insbesondere eine Gepflogenheit der Vermittlung von Glauben und Intellekt. Wenn wir über Heine als Theologen sprechen, meinen wir also nicht seine Verbundenheit mit oder Abstand von der Religion, seinen Glauben und Unglauben, seine Frömmigkeit oder Blasphemie, seine Bekehrung oder seine Verstocktheit, sondern wir meinen sein Interesse an religiösen Phänomenen und deren Beschreibung, seine Auseinandersetzung mit der religiösen und kirchlichen Tradition, seine Entwürfe historischer, psychologischer, kritischer Sichtweisen auf religiöse Manifestationen, vor allem des Judentums und des Christentums, denen in ihren westlichen Ausprägungen die Tendenz zur Forschung und wissenschaftlichen und nicht nur kultischen oder aszetischen Vermittlung seit langem entspricht. Zwar sind seine Bibelkenntnis und -liebe, seine religiösen Interessen, seine wechselnden Glaubensweisen eng mit der von ihm immer wieder geübten >>wilden<< Exegese/12/ oder wildernden theologischen Tätigkeit verknüpft. Theologie als solche hat aber eine Meta-Position, ergründet und betrachtet die Sachverhalte der Religion unabhängig von der gläubigen oder ungläubigen Haltung des Theologen, ist selber natürlich dessen Lebenserfahrung und eventuell wechselnder weltanschaulicher Stellung verhaftet. Heine weiß sich selber als Theologen und zwar methodisch mit Hilfe des Zweifels, ja durch Verzweiflung./13/ Er nimmt sich dieses Recht heraus, ohne zum geschlossenen System einer kirchlichen Lehrmeinung zu gehören oder gar von ihrer Hierarchie oder Leitung befugt zu sein. Eine Bemerkung mit bescheidener Negation drückt seinen Nebenberuf als Theologe ebenso aus wie eine positive Feststellung über seine theologische Aktivität./14/ Am Anfang seiner Darstellung Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland entschuldigt er sich damit, daß er weder >>die Subtilitäten der Theologie, noch die der Metaphysik so tief ergründet<< habe, daß er >>im Stande wäre, dergleichen nach den Bedürfnissen des französischen Publikums, ganz einfach und kurz zu formulieren<<. Aber immerhin: ergründet hat er, hat nun ach wie Faust leider auch Theologie studiert. Die wenig später formulierte Selbsteinschätzung des bis dahin geschaffenen gesamten Werks in der Vorrede zur 2. Auflage des Buches der Lieder aus dem Frühjahr 1837 enthält die Bitte an seine vom Verfasser solcher Gedichte mittlerweile profunder und realistisch-prosaischer bedienten Leser um Nachsicht: >>für die Schwäche dieser Gedichte mögen vielleicht meine politischen, theologischen und philosophischen Schriften einigen Ersatz bieten. Bemerken muß ich jedoch, daß meine poetischen, ebenso gut wie meine politischen, theologischen und philosophischen Schriften, einem und demselben Gedanken entsprossen sind, und daß man die einen nicht verdammen darf, ohne den anderen allen Beifall zu entziehen.<< Diese Einheit in der Vielfalt der Werke gründet auf der Einheit des Autors/15/, der sich stets und mit beachtlichem Erfolg zwar nebenher und doch aus einem zentralen Impetus heraus als Theologe betätigt hat.
|
h
a
n
d
m
a
d
e
p
a
g
e
s
|
|
Besucher seit 26. September 2001, 12 Uhr:
|